“Frédéric”, eine Rezension
| Deutsch |
Diesmal ein etwas längerer Text… Im Januar erschien ein wunderbarer Roman, den ich übersetzen durfte. Ich hänge hier meine Kritik der französischen Version an, die ich lang, bevor die deutsche Übersetzung überhaupt Thema wurde, geschrieben hatte.
“Ach, wie (relativ) einfach ist es, das Buch eines völlig Fremden zu besprechen! Auf jeden Fall einfacher, als das einer Person zu präsentieren, die man kennt, die man als Freund betrachtet und sehr schätzt. Wie schaffen es Komiker und Imitatoren bloß, ihre Sketche vor einer (oft berühmten) Person zu interpretieren, die sie auf humorvolle Weise auf die Schaufel nehmen? Ich bin mir sicher, dass ich anfangen würde, zu stottern oder ganz außer Fassung zu geraten. Der langen Einleitung kurzer Sinn – ich kenne den Autor Dominique Faure seit geraumer Zeit, traf ihn aber, bevor ich dieses Buch las, und war somit von Anfang an voreingenommen. Und zwar auf positive Weise. Ja, ich weiß, aus marketingtechnischer Sicht mache ich gerade alles falsch. Es ist in Mode, zu verschweigen, dass man mit einem Autor freundschaftlich verbunden ist, denn wenn man das zugibt, denken viele unwillkürlich an Komplizenschaft, an Schmeichelei aus Freundschaft, an Einseitigkeit. Hinzu kommt, dass ich gerade zugegeben habe, dass ich die größten Schwierigkeiten haben würde, kritische oder gar negative Äußerungen zu tätigen… Last but not least bin ich außerdem der Übersetzer dieses Romans.
Aber ist es notwendigerweise einfacher, Gutes über das Werk einer Person zu sagen, die man so sehr schätzt, wie ich Dominique Faure schätze? Denn ja, angesichts der Persönlichkeit, ihres berührenden und herzlichen Charakters sowie der absoluten Weltklasse, die in ihren Gesten, Worten, Taten zum Ausdruck kommt, war ich von vornherein positiv voreingenommen, bevor ich das vorliegende Buch überhaupt aufschlug. Ich spürte, dass Autor und Werk eine Einheit darstellen würden. Ich wusste ziemlich genau, dass keine Anstrengung notwendig sein würde, um zu Lesegenuss zu kommen. In dieser Hinsicht ist es also kein Wunder, dass ich von dieser wunderschönen Geschichte und dem großartigen Stil fasziniert war. Ich bekenne mich schuldig, diesen Roman wirklich geliebt zu haben; und ich verkünde meine Unschuld gegenüber denen, die mir eine freundliche Voreingenommenheit vorwerfen würden. Ich schwöre, wenn es mir nicht gefallen hätte, hätte ich mir selbst Gewalt angetan und die zu kritisierenden Punkte in aller Ehrlichkeit aufgelistet…
Also, die Handlung? Eine zufällige Begegnung, gefolgt von einer der schönsten Liebesgeschichten, die je geschrieben wurde. François, ein Mann Mitte dreißig, Liebhaber schöner Musik, besucht ein Konzert und gerät in den Bann des Pianisten Frédéric. Ihre Wege kreuzen sich unbeabsichtigt während einer Radiosendung, zu der sie beide als Interviewpartner geladen sind. François nimmt seinen Mut zusammen und lädt Frédéric zu einem Gläschen ein. Ihr erstes Tête-à-Tête verläuft ohne größere Wogen, ohne dass es zum Spiel der Verführung kommt. Frédéric ist zu ätherisch, zu diskret, zu schwer fassbar, als dass man mit ihm nur mal so, zum Spaß, ein Techtelmechtel eingeht. Noch dazu betrachtet sich François nicht als schwul; er versteht nicht einmal, warum er sich so stark zu diesem Musiker mit dem gefälligen Körperbau hingezogen fühlt, nicht ganz ein Mann, nicht ganz eine Frau, gleichzeitig ein bisschen von beidem zugleich. Denn ja, auf beiden Seiten ist die Anziehungskraft des anderen ein unleugbarer Fakt. Als Frédéric eine Einladung zu François nach Hause annimmt, sind die Würfel gefallen, und die erste Annäherung erfolgt. Nach und nach geraten die beiden in den Bann des anderen, intellektuell und emotional. Aber sie tragen, jeder auf seine Weise, eine schwere Last mit sich, eine schmerzhafte Vergangenheit, und vor allem ist Frédéric durch eben diese Erfahrungen auf sexueller Ebene gehemmt. François wird viel Liebe und Geduld brauchen, um mit diesem Mann, der ihn immer mehr einnimmt, etwas Solides und Dauerhaftes aufzubauen…
Dominique Faure präsentiert diese außergewöhnliche Geschichte in Form einer Ich-Erzählung – es ist François, erfahren wir nach einer Weile, der sie in Notizbüchern niederschreibt. Da er den Hergang der Ereignisse sowie seine Gedanken, seine Wünsche, seine Ängste wie Einträge in ein Tagebuch kritzelt, spricht er manchmal von Frédéric in der dritten Person (er), manchmal scheint er ihn direkt anzusprechen, am Anfang mit „Sie“, später per „Du“. Anfangs war ich etwas verwirrt, dieses „Sie“ und „Du“ im Text zu finden, doch schnell wich dieses Gefühl der Fremdheit einem Gefühl des völligen Eintauchens: François sprach nicht mehr mit mir, dem Leser, sondern ließ mich in seine Haut schlüpfen und schaffte es so, mich die Szenen spüren zu lassen und mir klarzumachen, dass er diese Notizen in seinem Notizbuch nicht für sich selbst, sondern für und an Frédéric schrieb. Sehr geschickt, vor allem weil die Prosa wirklich wunderschön ist, in kurzen Sätzen gehalten, in denen wir den Atem hören, den Atem des Autors, seine wohlwollende Persönlichkeit, seinen Geschmack, seine eigenen Wunden, seine eigenen Stärken.
Und diese beiden Protagonisten, François und Frédéric… Ach Gott, sie haben mich durch die Hölle geschickt, sie haben mich vibrieren lassen, Hoffnung, Verzweiflung, wieder Hoffnung. Allerdings entfaltet sich die Geschichte ohne große Wendungen, ohne Schocks, fließend, linear, wie vorherbestimmt, ohne völlig vorhersehbar zu sein. Mit unendlicher Sanftheit, unendlicher Zärtlichkeit, unendlicher Geduld lernen diese beiden Wesen einander kennen, ihre Charakterzüge, nach und nach ihre Körper, ihre Erfahrungen, ihre Wünsche, ihre Bedürfnisse, aber auch, was sie bremst. Sie „fallen in Liebe“, wie man auf Englisch sagt. Sie wecken einander, sie erwachen, sie offenbaren sich; sie zähmen sich nach und nach, sie lernen: Jeder lehrt den anderen, jeder erlernt auch den anderen. Es ist wunderschön, obwohl ihre Geschichten düster sind.
Auch wenn der Hauptprotagonist, der diesem Roman seinen Titel gibt, Frédéric ist, den ich so liebenswert fand, dass ich ihn am liebsten in meine Arme genommen hätte, hatte ich vor allem ein Faible für François. Welche Freundlichkeit, welche Beständigkeit, Beharrlichkeit, Ausdauer. Welche Stärke der Gefühle und Überzeugungen, welcher Mut. Ein Mann mit einem Überfluss an Liebe, der nur darauf wartete, die richtige Person zu treffen, um sie ausströmen zu lassen, nicht in einem Schwall, sondern in einem rettenden, reinigenden, sogar heilenden Fluss.
Abschließend möchte ich noch anmerken, dass das ganze Buch vor Erotik vibriert und knistert (eines der Hauptthemen ist schließlich, wie man seinen Körper liebt und wie man jemand anderem beibringt, seinen Körper zu lieben). Es sind Szenen des Lernens, der Zähmung, und weit entfernt von vulgärer und protziger Pornografie haben wir hier den Beweis, dass Erotik mit Diskretion, Subtilität und sogar Sublimierung erzählt werden kann. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es sich um einen großartigen Roman handelt, einen von denen, die man nicht so schnell vergisst. Eine Geschichte, die dunkel, schwer, drückend hätte sein können, sich aber als das genaue Gegenteil herausstellt: leuchtend in ihrer Hoffnung, herausragend in ihrer Liebe, tröstlich in ihrer stillen Stärke und Geduld. Ein Roman, den ich nur wärmstens empfehlen kann.”
“Frédéric” von Dominique Faure, übersetzt von mir. Mehr dazu auf der Seite meiner Bücher.
Dominique Faure, “Frédéric, Eine außergewöhnliche Liebe”
Ist es reiner Zufall, dass sich der Musiker Frédéric und der Autor François begegnen? Sie gehen nacheinander live im Radio auf Sendung, nicht ohne sich zuvor gewisse Ängste einzugestehen, was eine gegenseitige Empathie aufkommen lässt.
Auf diese erste Annäherung folgt ein Tête-à-Tête im Restaurant. Frédéric strahlt einen Charme aus, der von Zurückhaltung und diskreter Weiblichkeit geprägt ist und François sofort in den Bann zieht. Die starke Bindung, die sie Seite an Seite aufbauen, prägen überschwängliche Momente und Augenblicke der Zurückhaltung.
Was ist der Grund dafür? Welches Trauma aus Frédérics Jugendzeit bringt ihn so schmerzhaft durcheinander? Was ist François in seiner frühen Kindheit passiert, an das er sich unterschwellig erinnert?
Hin- und hergerissen zwischen außergewöhnlichen Momenten mit Fréderic und solcher voll zerstörerischer Verzweiflung hält François in einem Notizbuch fest, was von nun an den roten Faden seiner Tage ausmacht.
Dieser Roman wurde 2022 mit dem Prix du Roman Gay (dem französischen Schwulenromanpreis) in der Kategorie Romance ausgezeichnet.